Donnerstag Abend stimmten CDU und AfD gemeinsam gegen die Poller im Richardkiez in der Bezirksverordnetenversammlung in Neukölln. Eine Mehrheit lehnte den CDU-Antrag allerdings ab. Doch schon im März 2024 nutzten CDU, AfD und BSW die krankheitsbedingte Abwesenheit von fünf Bezirksverordneten in Lichtenberg, um eine ersatzlose Aufhebung des demokratisch beschlossenen Modalfilter im Kaskelkiez durchzuboxen. Changing Cities warnt vor dieser absichtlichen Stimmungsmache, denn sie spiegelt nicht die Stimmung in den Kiezen wider.
Verkehrsberuhigung und Umlenkung des Kfz-Durchgangsverkehrs aus den Kiezen auf die Hauptstraßen wird zunehmend missbraucht und zu einem gesellschaftlichen Konfliktthema aufgebauscht. Der rot-weiß-gestreifte Poller wird von sogenannten Polarisierungsunternehmern emotionalisiert, wie Stefan Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser sie in ihrem Buch Triggerpunkte nennen. Ihr Ziel: Die absichtsvolle Spaltung der Gesellschaft. Dabei wäre es so wichtig, dass die Stadtgesellschaft sich damit auseinandersetzen würde, wie die Kieze endlich wieder lebenswerter und so auch zukunftssicherer werden können.
Eine Anwohnerin aus dem Richardkiez, die anonym bleiben möchte, berichtet: „Es ist eine Ruhe wie früher nur sonntags. Meine Kinder können die Straßen zu Kita, Schule und Spielplätzen leichter und sicherer überqueren. Man bleibt öfter gerne stehen für einen Plausch, weil es durch den Kiezblock so viel angenehmer geworden ist, in Rixdorf unterwegs zu sein.“ Gemeinsam mit anderen Eltern aus dem Kinderladen Kleine Fische hat sie einen offenen Brief an den Bezirk verfasst. Hierin schreiben sie u.a.: „Wir sind uns bewusst, dass es auch andere Meinungen zu den getroffenen Maßnahmen gibt. Für uns als Familien im Kiez möchten wir betonen, dass die Umsetzung des Kiezblocks einen enorm positiven Einfluss auf unseren Alltag hat. Die Möglichkeit, dass unsere Kinder gefahrlos spielen und wir uns ohne ständigen Verkehrslärm im Kiez bewegen können, ist für uns von unschätzbarem Wert.“
„Es gibt 73 Kiezblocks-Initiativen in Berlin. Dort leben tausende Menschen, die sich ehrenamtlich für mehr Ruhe und weniger Lärm in ihren Wohnquartieren engagieren. Mit der Kiezblock-Kampagne stellen wir die schon jahrzehntelang anhaltenden Fehlplanungen in der Verkehrs- und Stadtplanung in Frage und fordern schon lange überfällige Berücksichtigung der Interessen aller Einwohner*innen und Anlieger*innen der Quartiere. Und dies funktioniert in 99 Prozent der Fälle auch schon. Doch wenn dieser Aushandlungsprozess bewusst emotionalisiert wird und die Einwohner*innen in ein “Wir gegen Die”-Ecke gedrängt werden, dann verlieren wir gemeinsam die Fähigkeit, über unsere Zukunft zu reden. Deshalb ist es so wichtig, diesen Mechanismus zu verstehen und den Polarisierungsunternehmern nicht auf den Leim zu gehen“, kommentiert Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
Der Verein begrüßt deshalb sehr das Vorgehen in Berlin-Mitte. Hier wird ein großer Beteiligungsprozess gestartet, um „herauszufinden, ob und in welchem Maße sich die über 130 Kiezräume von Mitte für Kiezblöcke eignen“, wie Christopher Schriner, Stadtrat für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen in Mitte, der Berliner Zeitung sagt.